Klimaschutz, Tempolimit und Fahrfreude

Beitrag von Danica Duranec-Schoo, GLG

Während der andauernden SARS-CoV-2-Pandemie ist eines von vielen Themen in der medial begleiteten Tagespolitik in den Hintergrund geraten: Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen. Mit Blick auf die Bundestagswahl hier einige Impulse und Fragezeichen zum Pro und Contra von Tempolimits.

Quelle: autozeitung.de

Auf kommunaler Ebene, so auch in Grötzingen, findet ein fast flächendeckendes Tempolimit von 30 km/h breite Zustimmung. Kann daraus auch automatisch ein Funke für Tempolimit auf Autobahnen zünden? Das Thema wurde bisher stets kontrovers diskutiert. Aus meiner Sicht hat Tempolimit im Sinne der Klimaschutzziele, die Deutschland sich gesetzt hat, nicht an Relevanz verloren.

Für Umweltschützer des BUND ist eine Ablehnung des Tempolimits rational nicht mehr begründbar, ist doch der voraussichtliche Effekt auf Treibhausgasemissionen hinreichend berechnet worden. Die Durchsetzung des Tempolimits im Sinne des Klimaschutzgesetzes wird vielmehr politisch blockiert. Laut Studien des Umweltbundesamtes wären die Spareffekte für CO2 wie folgt:  Bei Tempolimit von 130 km/h sparten wir immerhin 1,9 Mio. Tonnen, bei 120 km/h wären es 2,6 Mio. t und beim Limit von 100 km/h sogar 5,4 Mio. t CO2 weniger pro Jahr. Demnach könnte ein Tempolimit einen, wenn auch in Vergleich zu Einsparpotentialen der Energiewirtschaft kleinen, Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele bis 2030 leisten. Die Zwischenziele für den Klimaschutz für das Jahr 2020 wurden nach kürzlichen Meldungen des Bundesumweltministeriums zwar insgesamt erreicht. Die Grünen kritisierten allerdings schon im Vorfeld die zu wenig ambitionierten Ziele. Der größte Emittent war und bleibt die Energieerzeugung. Immerhin, der Verkehr trug mit 11,9 Mio. Tonnen (11,4 %) positiv zur Reduzierung bei.  Dies jedoch nur wegen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen eingeschränkten Mobilität des Privatverkehrs auf Langstrecken, so die Bundesumweltministerin. Ansonsten wären die Ziele für den Bereich Verkehr wahrscheinlich nicht erreicht worden. Ein Tempolimit hätte also die Effekte auf CO2-Ausstoß unabhängig von Pandemiebedingungen begünstigt.

Ein anderes häufiges Argument contra Tempolimit ist die Fahrzeit. Einerseits verlängert langsameres Fahren die subjektiv wahrgenommene Fahrzeit. Andererseits reduziert ein gleichmäßiger Verkehrsfluss nachweislich die Bildung von Staus und verkürzt insgesamt die Wegezeit. Leider lägen laut dem Verkehrsclub Deutschland die Fahrtzeitunterschiede nur im Minutenbereich. Es wird bemerkt, man könne über einen ganzen Tag verteilt mit Tempolimit nur eine Viertelstunde sparen.   Umgekehrt käme man also ohne Tempolimit nur marginal früher ans Ziel. Auf alle Fälle werden mit Tempolimit Fahrtzeiten verlässlicher und der Fahrer/die Fahrerin kommt entspannter an.

Wird das Fahren durch Tempolimit sicherer? Die Anzahl von Verkehrstoten ist nach einer aktuellen Meldung der EU zwischen 2010 und 2020 um 36 % gefallen. Langsamer fahren sollte nach physikalischer Logik auch bei uns weniger gefährlich sein. Interessant ist, dass laut Statistischem Bundesamt auf Autobahnen, wo schneller gefahren wird, 11,7 % der Toten zu beklagen sind. Auf Landstraßen, trotz Tempolimit 100 km/h, sind es sogar 57,7 %. Die Hauptgeschädigten sind dort Radfahrer und Fußgänger. Folgt man diesen Zahlen, dann müsste man im Sinne der Sicherheit neben dem Tempo 30 innerorts und dem Tempolimit auf Autobahnen eigentlich auch für ein weiter reduziertes Tempolimit auf dem sehr dichten Landstraßennetz plädieren. Diesen Vorschlag haben nun die Grünen immerhin in ihr Wahlprogramm aufgenommen.

Last but not least wäre da noch der systemrelevante Automarkt. Obwohl leichte, sparsame und günstige Modelle umweltschonender wären, ist seit Jahren ein anhaltender Trend zu leistungsstarken und geräumigen Autos zu verzeichnen. Dies oft mit dem Argument, dass diese bei Schnelligkeit deutlich sicherer seien. Wie rational ist eigentlich der Automarkt? Oder wird auch in Zukunft eher die Fahrfreude mit viel PS entscheiden? Schließlich möchte die Autoindustrie bei Elektroautos künftig nicht an der PS-Schraube drehen. Zu bedenken ist auch, dass große Autos deutlich mehr Parkraum auf den ohnehin knappen öffentlichen Flächen beanspruchen. Auch in Grötzingen sehe ich Autos, die mit der markierten Parkfläche nicht mehr klar- kommen.  

Wie steht es also mit unserem Umweltbewusstsein in Bezug auf Tempolimit? Wollen wir solidarisch, zukunftsorientiert und mutig das Klima schonen oder geht es doch mehr um die individuelle „Freiheit“ im Hier und Jetzt? Was hindert uns als eines der letzten Länder in Europa einem Tempolimit auf Autobahnen zuzustimmen? Die Diskussion wird hoffentlich zur Bundestagswahl nochmal Fahrt aufnehmen.